Rachel Carson – Pionierin der Ökologie-Bewegung (27.5.1907 – 14.4.1964)
With English translation
Vor 60 Jahren – am 14. April 1964 – verließ Rachel Carson, viel zu früh, ihre geliebte Erde. Trotz der kurzen Lebensspanne hinterließ sie ein eindrucksvolles und nachhaltig wirksames Lebenswerk. Ihr 1962 erschienenes Buch »Silent Spring« (Der stumme Frühling) löste bei seinem Erscheinen eine enorme politische Debatte in den USA aus. Carson hatte mehrere Jahre zu den massiven Schäden recherchiert, die rigoros und großflächig angewandte Pestizide bei praktisch allen Lebewesen verursachten. Sie konnte sich dabei auf eine Vielzahl von Studien zu den tödlichen Auswirkungen auf Vögel, Säugetiere, Fische und Reptilien sowie auf Einzelfallberichte von Erkrankungen bei Menschen und Haustieren stützen.
DDT war seit dem 2. Weltkrieg das Insektizid der Wahl für den Einsatz gegen alle Arten von Insekten und wurde in der zivilen Anwendung häufig von Flugzeugen versprüht. Es galt als Wundermittel zur Bekämpfung von durch Insekten verbreitete Krankheiten und zur Vernichtung von Schädlingen in der Landwirtschaft, wobei die Hersteller des Insektizids schädliche Auswirkungen auf die Umwelt in Abrede stellten. Diese erzielten aufgrund mangelnder Kontrolle eventueller Schadwirkungen mit riesigen Absatzmengen enorme Profite.
»Silent Spring« schlug deshalb bei seinem Erscheinen ein wie eine Bombe: die chemische Industrie reagierte mit Klagsdrohungen, massiven Anfeindungen gegen die Autorin und eine intensive Gegenkampagne. Dies erhöhte allerdings die Aufmerksamkeit und das Medieninteresse für einen nun recht offen zutage tretendenden Umweltskandal, der nicht mehr verharmlost werden konnte. Carsons Aufdeckungsbuch wurde zu einem Bestseller, Auslöser politischer Debatten und einer Untersuchung im Auftrag des US-Kongresses. Das Beratergremium von Präsident John F. Kennedy bestätigte in seinem Bericht über Pestizide Rachel Carsons Befunde und Warnungen.
Damit war der Weg bereitet für eine Einschränkung der Anwendung von Pestiziden und schließlich eines Verbots von DDT 1972 in den USA. 1970 war bereits die Environmental Protection Agency als staatliche Behörde gegründet worden.
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Rachel Carsons mutiges Engagement war auch maßgeblicher Auslöser einer politischen Ökologie-Bewegung. Mit dieser ihrer kämpferischen Seite wurde sie zu einem Vorbild für die nachfolgenden Generationen von Umweltaktivist:innen. Gleichzeitig war sie auch eine stilistisch ausdrucksstarke Schriftstellerin, die auf Basis ihrer wissenschaftlichen Beobachtungen Lebewesen und Naturzusammenhänge detailreich beschreiben und dabei bildhaft in Worte fassen konnte. Sie verstand es als Meeresbiologin mit ausgeprägtem Erzähltalent, Wissenschaft und Poesie miteinander zu verknüpfen. Ihre drei, noch vor »Silent Spring« erschienenen Bücher, die faszinierende Unterwasserwelten und maritime Ökosysteme zum Thema haben, wurden alle Bestseller.
„Letzte Nacht hat mir der Gedanke an Vögel und andere Geschöpfe, die Schönheit der Natur, ein großes Glücksgefühl beschert. Ich habe dir doch erzählt, dass mir kürzlich ein möglicher Einleitungssatz eingefallen ist. Er lautet: ‚Dies ist ein Buch über den Kampf des Menschen gegen die Natur; und weil der Mensch ein Teil der Natur ist, ist es auch ein Buch über den Kampf des Menschen gegen sich selbst.‘ Sehr direkt und einfach! Aber ich denke, dass er den Kern trifft. Wenn ich die Gegebenheiten schon nicht ändern kann, so doch die Art und Weise, sie zu sehen.“
In diesen Zeilen aus einem Brief an ihre Freundin Dorothy Freeman erkennen wir ein Grundanliegen von Carsons Lebensaufgabe: die innige Verbundenheit alles Lebendigen als Lebenssinn für uns wahrnehmbar, spürbar und erkennbar zu machen. Unsere Umwelt ist fühlende und fühlbare Mitwelt. Diese ihre Einsichten, ihr Aufrütteln und Kämpfen bleiben uns als Vermächtnis und Auftrag, alles zu tun, um die Schönheit der Natur in all ihren Erscheinungsformen zu erhalten, zu fördern und zu regenerieren. Es ist eine Riesenaufgabe, die wir gemeinsam im Kleinen wie im Großen, lokal und global, in Verbindung mit gleichgesinnten Menschen und in Verbundenheit mit den nichtmenschlichen Lebewesen zu meistern haben. Schaffen wir den nächsten Evolutionssprung – die Versöhnung von Zivilisation und Natur?
English Translation
Rachel Carson - Pioneer of the Ecological Movement
60 years ago - on April 14, 1964 - Rachel Carson left her beloved earth far too early. Despite her short life, she left behind an impressive and lasting life's work. Her book "Silent Spring", published in 1962, sparked an enormous political debate in the USA when it appeared. Carson had spent several years researching the massive damage that rigorously and extensively applied pesticides were causing to practically all living creatures. She was able to draw on a large number of studies on the fatal effects on birds, mammals, fish and reptiles as well as individual case reports of illnesses in humans and pets.
Since the Second World War, DDT was the insecticide of choice for use against all types of insects and was often sprayed from airplanes for civilian use. It was regarded as a miracle cure for insect-borne diseases and for the destruction of agricultural pests, whereby the manufacturers of the insecticide denied any harmful effects on the environment. Due to a lack of control of possible harmful effects, they made enormous profits with huge sales volumes.
"Silent Spring" therefore hit like a bomb when it was published: the chemical industry responded with threats of legal action, massive hostility towards the author and an intensive counter-campaign. However, this increased the attention and media interest in an environmental scandal that was now coming to light quite openly and could no longer be played down. Carson's book of revelations became a bestseller, triggered political debates and an investigation commissioned by the US Congress. In its report on pesticides, President John F. Kennedy's advisory committee confirmed Rachel Carson's findings and warnings.
This paved the way for a restriction on the use of pesticides and ultimately a ban on DDT in the USA in 1972. The Environmental Protection Agency had already been established as a government agency in 1970.
Rachel Carson's courageous commitment was also a decisive trigger for a political ecology movement. With her militant stance, she became a role model for subsequent generations of environmental activists. At the same time, she was also a stylistically expressive writer who was able to describe living creatures and natural contexts in great detail based on her scientific observations and put them into words in a vivid way. As a marine biologist with a pronounced talent for storytelling, she knew how to combine science and poetry. Her three books on fascinating underwater worlds and marine ecosystems, which were published before "Silent Spring", all became bestsellers.
"Last night, the thought of birds and other creatures, the beauty of nature, gave me a great feeling of happiness. I told you that I recently thought of a possible introductory sentence. It reads: 'This is a book about man's struggle against nature; and because man is a part of nature, it is also a book about man's struggle against himself. Very direct and simple! But I think it gets to the heart of the matter. If I can't change the circumstances, I can change the way I see them."
In these lines from a letter to her friend Dorothy Freeman, we recognize a fundamental concern of Carson's life's work: to make the intimate interconnectedness of the living world perceptible, sensible and recognizable to us as the meaning of life. Our environment is a sentient and tangible co-world. Her insights, her shaking up and fighting remain our legacy and our mission to do everything we can to preserve, foster and regenerate the beauty of nature in all its manifestations. It is a huge task that we have to master together on a small and large scale, locally and globally, in connection with like-minded people and in solidarity with non-human living beings. Can we achieve the next evolutionary leap - the reconciliation of civilization and nature?